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Warum fürchten wir uns vor Konflikten?

Eva Figge • Juli 02, 2020

Ewige Harmonie ist nicht die richtige Antwort
auf die Angst vor Konflikten

Menschen sprechen viel zu oft nicht an, was sie stört. Des lieben Frieden willens reden wir eher übereinander als miteinander. Die Angst vor Konflikten steckt uns tief in den Genen. Hier erfährst Du, was typischerweise passiert, wenn Probleme nicht angesprochen werden und wie es gelingt, es doch zu tun. 

Wann hast Du Dich das letzte Mal so richtig geärgert? Vielleicht über die Kollegin, die immer pünktlich geht, Dir den Rest der Arbeit rüberwälzt und die dann in der nächsten Teamsitzung die Lorbeeren einheimst? Oder über den Bruder, der sich immer flink aus der Affäre zieht, wenn es darum geht, mal über die zukünftige Betreuung der Eltern nachzudenken? Und ... Hast Du was dazu gesagt?

Des lieben Frieden willens halten wir oft die Klappe
Die wenigsten Menschen finden streiten lustig. Viel häufiger empfinden wir Konflikte als unangenehm oder sogar bedrohlich. Eh klar, haben wir doch schon alle erlebt, dass Meinungsverschiedenheiten ganze Beziehungen ruinieren können. Wer hat noch nicht eine Freundin oder einen Freund aufgrund eines massiven Streits verloren? Wie war das bei Dir in der Familie, als Du noch klein warst? Habt Ihr interessiert, wertschätzend und respektvoll gestritten? Eine Lösung suchend? Wohl eher nicht. Die meisten haben Streiten nie gescheit gelernt. War auch nie ein Schulfach. Unsere Erfahrungen sind also eher negativ – verbunden mit Gefühlen wie Wut, Enttäuschung oder sogar Ohnmacht.

Grüße aus der Steinzeit
Manchmal würden wir alles tun, um einer Auseinandersetzung zu entgehen. Diese Angst vor Konflikten steckt uns selbst nach Jahrtausenden noch in den Genen. Wenn es kein Einvernehmen mit unserer Stammesgruppe gab, stand man in der Gunst der anderen weit unten. Blöd, wenn dann Gefahr drohte, dann konnte man sich nicht darauf verlassen, von den anderen gerettet zu werden. Unser Überleben hing also von unserer Umgänglichkeit ab. Auch heute noch ist soziale Angepasstheit ein wichtiges Ziel in der Erziehung/Bildung. Kinder müssen brav sein, ins System passen, nicht auffallen – bis sie teilweise gar nicht mehr wissen, was sie eigentlich wollen. 
Dieses „Klappe-Halten“ bei Dingen, die nerven, haben "Harmoniesüchtige" zu ihrer Lebensdevise gemacht. Schön – im Außen ist nun alles häppi-peppi – aber wie sieht es innen aus? Kann ich tatsächlich meinen Frieden machen mit dem, was da um mich rum passiert? Wenn der andere z. B. notorisch unzuverlässig ist? Wenn er mich immer spüren lässt, dass er doch viel lieber „sein eigenes Ding“ macht? 

Besser nix sagen, sonst wird es noch schlimmer?



Explosion …
Wenn mich etwas aufreibt, gelingt es mir vielleicht eine gewisse Zeit, dies zu ignorieren oder das stressende Verhalten des anderen irgendwie vor mir selbst gutzuheißen oder zu entschuldigen. Aber dann wird der Tag kommen, an dem ich doch die Schnauze voll habe. Und dann entlädt sich die vermeintliche Geduld in einem heftigen Wutausbruch, mit dem der andere nie gerechnet hätte. Wie auch?

Ich hab‘ ja nie was gesagt!

… oder Eiszeit
Oder ich mache die Dinge mit mir selbst aus, das kann ich ja gut! Was nichts anderes heißt, als dass ich mich entfremde. Ich schneide mich von meiner eigenen Wut ab, aber gleichzeitig auch von meinen guten Gefühlen zum anderen. Die gesamte Beziehung kühlt aus. Und irgendwann entscheide ich zu gehen. Und ich habe nie etwas gesagt! Große Überraschung - für den anderen …!

Und täglich grüßt das Murmeltier
Den Konflikt habe ich damit für mich gelöst – aber eben nur für mich und leider auch nur scheinbar, denn in der nächsten Beziehung werde ich mich genau gleich verhalten.

Setzt euch miteinander auseinander
Angst vor Streit funktioniert nie. Hab‘ Mut, offen über Deine Wünsche zu reden. Höre auf Deine Gefühle, sie sagen Dir, was Du brauchst. Wenn Du Dich ausgenutzt oder betrogen fühlst, dann meldet sich da Dein Bedürfnis nach Aufrichtigkeit und Gerechtigkeit. Wenn Du Dich im Stich gelassen fühlst, dann brauchst Du stärkere Signale der Verbundenheit. Diese Bedürfnisse sind alle gut und richtig. Wir alle haben dieselbe Palette an Bedürfnissen, aber in unterschiedlichen Maßen ausgeprägt. Dem einen ist Ordnung wichtig, dem anderen nicht. Keins der Bedürfnisse ist mehr oder weniger wert als das andere. 

Wir sollten uns auf die Suche machen, wie wir gegenseitig die wichtigsten Bedürfnisse erfüllen können. Dafür müssen wir sagen, was uns wichtig ist. Das ist gar nicht sooo schwer. Wenn Du erklären kannst, warum Dich etwas ärgert und was da eigentlich dahintersteckt, dann kann der andere damit etwas anfangen. Er kann Dich verstehen!

Über seine Gefühle und Bedürfnisse zu reden rettet die Beziehung und stärkt gleichzeitig Dein Selbstwertgefühl, weil Du übst, für Dich einzutreten. Ist das nicht viel schöner als diese ewige Harmonie?
Nächste Folge: Wie gehe ich mit Streitsüchtigen um?
Warum recht haben in Konflikten nicht funktioniert.
von Eva Figge 16 Okt., 2020
... und warum es in vielen Fällen gar nicht möglich ist, recht zu haben.
von Eva Figge 08 Sept., 2020
Ja! Naja, teilweise. Nämlich nur, wenn es um den eigenen Selbstwert geht. Kurzfristig wird der geschützt, langfristig geschwächt.
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